Am 15. April begann die nächste Etappe meiner kleinen Odyssee. Mit dem TGV – jener famosen französischen Ingenieurskunst auf Schienen – glitt ich über Basel hinweg in Richtung Paris. Die Fahrt war erwartungsgemäß komfortabel, beinahe meditativ.
In der französischen Hauptstadt quartierte ich mich – mit einem Anflug nostalgischer Sentimentalität – in jenem Hotel ein, das mir bereits im Vorjahr als erstes Refugium gedient hatte. Kein Ort großer Opulenz, gewiss, doch das Interieur war gepflegt, der Empfang diskret, die Atmosphäre von der Patina vergangener Jahrzehnte durchzogen. Das Gebäude selbst – ein Relikt aus besseren Zeiten – wirkte wie aus der Zeit gefallen, seine Besitzer ebenso. Unverrückbar, unbeirrt, fast schon poetisch unmodern.
Mein ursprünglicher Plan sah eine zügige Weiterreise nach London vor, doch das Schicksal – in Gestalt ausgebuchter Verbindungen – durchkreuzte diese Intention. So verblieb ich eine weitere Nacht in Paris, wo ich mich, ohne jede Agenda, dem Müßiggang hingab. Ein Tag der erhabenen Zwecklosigkeit. Und ja – vielleicht auch ein wenig dekadent.
Am 17. dann der Sprung über den Ärmelkanal: Eurostar, Gare du Nord, Security-Korridore wie Schleusen der Moderne. Das Procedere war effizient, aber klaustrophobisch. Ein einziger, kollektiver Transitmoment. Und dennoch – alles funktionierte reibungslos. Keine Grenzkontrollen mehr in London, nur ein leiser Hauch administrativer Gleichgültigkeit.
Die Londoner Underground – ein Wunder urbaner Logistik – brachte mich prompt zu meiner alten Bekannten: der Station Earl’s Court. Mein Hostel lag, wie durch eine sanfte Ironie des Schicksals, unweit jenes Ortes, an dem ich beim letzten Aufenthalt bereits residierte. Das Quartier: unprätentiös, zweckdienlich, überraschend angenehm. Ich teilte ein Zimmer mit drei Fremden, deren Existenz mir seltsam unwirklich vorkam – stumme Silhouetten im flüchtigen Panorama des Reisens.
Später am Tag begab ich mich erneut zu den Abbey Road Studios – jenem sakralen Ort der Popkultur, der trotz touristischer Überformung seine Aura noch nicht ganz verloren hat. Ich fand nichts Neues – und genau das war irgendwie tröstlich.
Mein nächstes Ziel: Liverpool. Doch der Bahnhof, der mich dorthin bringen sollte, war geschlossen. Temporär stillgelegt bis Montag. Eine logistische Unannehmlichkeit.
Zum Glück offerierte das britische Transportsystem eine alternative, wenn auch etwas labyrinthartige Route: Von einem weiter entfernten Bahnhof sollte es in einen sogenannten „Vorort“ gehen – wobei die britische Definition davon offenbar bis zu 80 Kilometer umfassen darf. Von dort aus wiederum ein Bus, nochmals 40 Kilometer, bevor ich endlich in jenen Zug steigen kann, der mich an die Mersey führen wird.
Ich spielte kurz mit dem Gedanken, ein Automobil zu mieten – ein verführerischer Akt der Autonomie. Doch ich verwarf ihn. Der Arzttermin am 29. April ist sakrosankt, ein Fixpunkt, dem ich keine Eskapaden opfern möchte. Keine Experimente – diesmal.
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