Samstag, 19. April 2025

EU25 London

Am 15. April begann die nächste Etappe meiner kleinen Odyssee. Mit dem TGV – jener famosen französischen Ingenieurskunst auf Schienen – glitt ich über Basel hinweg in Richtung Paris. Die Fahrt war erwartungsgemäß komfortabel, beinahe meditativ.

In der französischen Hauptstadt quartierte ich mich – mit einem Anflug nostalgischer Sentimentalität – in jenem Hotel ein, das mir bereits im Vorjahr als erstes Refugium gedient hatte. Kein Ort großer Opulenz, gewiss, doch das Interieur war gepflegt, der Empfang diskret, die Atmosphäre von der Patina vergangener Jahrzehnte durchzogen. Das Gebäude selbst – ein Relikt aus besseren Zeiten – wirkte wie aus der Zeit gefallen, seine Besitzer ebenso. Unverrückbar, unbeirrt, fast schon poetisch unmodern.

Mein ursprünglicher Plan sah eine zügige Weiterreise nach London vor, doch das Schicksal – in Gestalt ausgebuchter Verbindungen – durchkreuzte diese Intention. So verblieb ich eine weitere Nacht in Paris, wo ich mich, ohne jede Agenda, dem Müßiggang hingab. Ein Tag der erhabenen Zwecklosigkeit. Und ja – vielleicht auch ein wenig dekadent.

Am 17. dann der Sprung über den Ärmelkanal: Eurostar, Gare du Nord, Security-Korridore wie Schleusen der Moderne. Das Procedere war effizient, aber klaustrophobisch. Ein einziger, kollektiver Transitmoment. Und dennoch – alles funktionierte reibungslos. Keine Grenzkontrollen mehr in London, nur ein leiser Hauch administrativer Gleichgültigkeit.

Die Londoner Underground – ein Wunder urbaner Logistik – brachte mich prompt zu meiner alten Bekannten: der Station Earl’s Court. Mein Hostel lag, wie durch eine sanfte Ironie des Schicksals, unweit jenes Ortes, an dem ich beim letzten Aufenthalt bereits residierte. Das Quartier: unprätentiös, zweckdienlich, überraschend angenehm. Ich teilte ein Zimmer mit drei Fremden, deren Existenz mir seltsam unwirklich vorkam – stumme Silhouetten im flüchtigen Panorama des Reisens.

Später am Tag begab ich mich erneut zu den Abbey Road Studios – jenem sakralen Ort der Popkultur, der trotz touristischer Überformung seine Aura noch nicht ganz verloren hat. Ich fand nichts Neues – und genau das war irgendwie tröstlich.

Mein nächstes Ziel: Liverpool. Doch der Bahnhof, der mich dorthin bringen sollte, war geschlossen. Temporär stillgelegt bis Montag. Eine logistische Unannehmlichkeit.

Zum Glück offerierte das britische Transportsystem eine alternative, wenn auch etwas labyrinthartige Route: Von einem weiter entfernten Bahnhof sollte es in einen sogenannten „Vorort“ gehen – wobei die britische Definition davon offenbar bis zu 80 Kilometer umfassen darf. Von dort aus wiederum ein Bus, nochmals 40 Kilometer, bevor ich endlich in jenen Zug steigen kann, der mich an die Mersey führen wird.

Ich spielte kurz mit dem Gedanken, ein Automobil zu mieten – ein verführerischer Akt der Autonomie. Doch ich verwarf ihn. Der Arzttermin am 29. April ist sakrosankt, ein Fixpunkt, dem ich keine Eskapaden opfern möchte. Keine Experimente – diesmal.

 


 

Donnerstag, 17. April 2025

EU25 Porto

Am 9. April erreichte ich mit der Bahn, von Lissabon kommend, den Bahnhof Porto Campanhã – jenen funktionalen Knotenpunkt, der mir den ersten Zugang zu einer der faszinierendsten Städte Portugals eröffnete. Porto, etwa 320 Kilometer nördlich der Hauptstadt an der rauen Atlantikküste gelegen, ist die zweitgrößte Metropole des Landes und zugleich ein Ort von eigentümlicher Gravitation – anders, kantiger, dichter als das südlichere Lissabon.

Mein erster Eindruck war ausgesprochen positiv. Die Stadt präsentierte sich mit einer architektonischen Handschrift, die sich deutlich von der pastelligen Verspieltheit Lissabons unterschied. Die Fassaden der Häuser waren mit einer eigenartigen, fast textilen Struktur überzogen – man könnte sagen: eine ornamentale Textur, die an gewobene Stoffmuster erinnerte. Farbenfroh, kontrastreich, stellenweise gar flamboyant. Auf den Fotografien lässt sich diese urbane Textur recht gut einfangen, doch der wahre Reiz liegt – wie so oft – in der Atmosphäre vor Ort.

Ich verweilte nur kurz – zwei Nächte, exakt vom 9. bis zum frühen Morgen des 11. April. Anderthalb Tage standen mir zur Verfügung, was sich für mein Temperament als ideal erwies. In einer kleineren Stadt empfinde ich eine zu lange Verweildauer oft als Enge – als hätte man das Kapitel zu lange aufgeschlagen.

Mein Zimmer befand sich nur fünf Gehminuten vom Bahnhof entfernt – schlicht, aber behaglich. Am Tag nach meiner Ankunft nahm ich ein Taxi in die Altstadt (jene sind hier in Portugal bemerkenswert erschwinglich) und ließ mich durch das historische Herz der Stadt chauffieren. Dort entstand meine kleine fotografische Dokumentation: Portos morbider Charme, gepaart mit aufblitzender Grandezza, offenbarte sich in vollen Zügen.

Auch das Wetter zeigte sich erneut von seiner generösen Seite – Temperaturen bis 28 Grad, eine konstante heitere Stimmung, keine Spur von Regen oder Trübnis. Ein April, wie er im Buche steht.

Doch nach gut einer Stunde in der Altstadt überkam mich erneut jenes vertraute Ziehen – jenes unstillbare Fernweh, das mich selten lange an einem Ort verweilen lässt. Ich kann nichts dagegen tun. Meine innere Ruhe finde ich am ehesten in der Bewegung – im Transit, auf den Gleisen oder in der Luft.

Am 11. April setzte ich meine Reise fort – mein nächstes Ziel: ein kurzer Zwischenstopp in der Schweiz. Die Route von Porto nach Madrid führte mich zunächst über Vigo, eine Küstenstadt im Nordwesten Spaniens, die mir nicht nur geographisch, sondern auch emotional bekannt war – es ist jener Ort, an dem Myrta die letzten 15 Jahre ihres Lebens ihre Sommerferien verbrachte. Ein fast sentimentales Wiedersehen.

Von Vigo aus nahm ich einen Direktzug der RENFE nach Madrid – 572 Kilometer durch das kastilische Hinterland. In der Hauptstadt Spaniens übernachtete ich in einem charmanten Hostel, das sich durch ein bemerkenswertes Ambiente und freundliche Diskretion auszeichnete.

Am darauffolgenden Morgen – noch im ersten Licht – ging es weiter in Richtung Barcelona Sants, wiederum mit der RENFE, eine Strecke von 583 Kilometern. Die Fahrt war angenehm, fast kontemplativ, da ich mich in der ersten Klasse befand – ein kleiner Luxus, den ich mir in Spanien gerne gönne.

Barcelona empfing mich mit vertrauter Betriebsamkeit. Ich übernachtete erneut, diesmal in einem exzellent geführten Hostel, direkt an der berühmten Rambla gelegen – jener pulsierenden Aorta der Stadt, die Tag und Nacht nicht zur Ruhe kommt.

Am Sonntag, dem 13. April, nahm ich schließlich Abschied von Spanien. Es ging weiter mit der RENFE über Narbonne nach Lyon. Ein kurzer Umstieg in Lyon, dann die Weiterfahrt nach Genf. Dort nochmals ein Umstieg – ein letzter. Schließlich erreichte ich Luzern gegen 21:00 Uhr.




Dienstag, 15. April 2025

EU25 Lissabon

Nach ein paar Tagen zu Hause und einem aufschlussreichen Telefongespräch mit meinem neuen Arzt ging es am 1. April wieder los. Ich kann mir mittlerweile kaum noch vorstellen, länger als ein paar Tage zu Hause zu verbringen, ohne zu wissen, dass es bald weitergeht. Aber das ist keineswegs negativ – im Gegenteil.

Von allen Menschen, die mitbekommen, dass ich mein Leben dem Reisen gewidmet habe und es noch immer tue, erhalte ich durchweg positives Feedback. Viele sagen, sie würden es selbst gern tun, aber es sei in ihrem Fall eben „nicht möglich“. Nun ja – you can’t always get what you want. Aber wer wirklich reisen will, kann das auch. Man muss nur bereit sein, auf andere Dinge zu verzichten.

Auf meinen beiden Weltreisen bin ich unter anderem einem französischen und einem australischen Paar begegnet – beide mit Kindern unterwegs. Die Franzosen reisten zu dem Zeitpunkt bereits seit fast zehn Jahren ununterbrochen. Ihre beiden Kinder, ein Junge und ein Mädchen, wurden unterwegs geboren. Er ist professioneller Fotograf mit gewissem Bekanntheitsgrad in Frankreich und stellt seine Werke regelmäßig aus. Sie ist ausgebildete Lehrerin für Primar- und Sekundarstufe. Ich traf die Familie in China – ihr nächstes Ziel war Neukaledonien, wo sie einen Lehrposten in Aussicht hatte, während er „irgendetwas im Büro“ übernehmen würde. Die Kinder reisen selbstverständlich mit – und dank ihrer Mutter erhalten sie eine exzellente Ausbildung. Der Junge war, soweit ich mich erinnere, etwa acht Jahre alt und sprach neben Französisch bereits ziemlich fließend Englisch.

Es ist bedauerlich, dass so viele Menschen zwar gern reisen würden, es aber aus eigentlich nicht stichhaltigen Gründen doch nicht tun. Oft ist es schlicht die Angst, die sie zurückhält. Dabei bin ich überzeugt: Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn mehr Menschen reisen würden. Toleranz, Offenheit und Verständnis für andere Kulturen würden dadurch spürbar wachsen.

Am 1. April machte ich mich also wieder auf den Weg. Zunächst mit dem TGV – 492 Kilometer bis nach Paris. Da am nächsten Tag alle Verbindungen Richtung Barcelona ausgebucht waren, blieb ich zwei Nächte in der französischen Hauptstadt. Am 3. April ging es weiter – 1.032 Kilometer nach Barcelona-Sants. Dort hatte ich erneut ein kleines Hotel direkt an der Rambla. Am 4. April fuhr ich dann die 593 Kilometer weiter nach Madrid. Wegen ausgebuchter Züge blieb ich dort bis zum 7. April.

Dann begann die Etappe Richtung Portugal – eine Strecke mit zwei Umstiegen: zuerst 336 Kilometer von Madrid nach Badajoz, kurz vor der portugiesischen Grenze, dann 175 Kilometer weiter nach Entroncamento und schließlich die letzte Etappe mit 96 Kilometern bis nach Lissabon.

Ich war ja letztes Jahr zum ersten Mal in Lissabon – eine fantastische Stadt, wie gesagt. Auch diesmal habe ich wieder ein paar schöne Fotos gemacht.

In Paris, Barcelona und Madrid habe ich übrigens keine Fotos geschossen – ich war ja in den letzten zwölf Monaten ohnehin schon mehrfach dort.


 

EU25 Bergen Oslo Stockholm Boden Narvik

Wieder sind einige Tage ins Land gezogen – Tage, die sich still und unaufgeregt dahinschoben, ohne dass es etwas Besonderes zu berichten geg...